Der RSI - Von der Trendumkehr profitieren

Bärische Divergenz

Der RSI (Relative-Stärke-Index) ist einer der bekannteren Oszillatoren, welcher auf verschiedene Art und Weise verwendet werden kann. Das erste Mal gezeigt wurde er von dem Entwickler Welles Wilder Jr. im Jahre 1978.
Ein Oszillator wird unterhalb des Charts angezeigt und ist generell eine Ableitung des Kursverlaufs. Dies bedeutet auf der einen Seite, dass er aus dem Kurs mithilfe einer Formel berechnet wird, woraus allerdings aber auch folgt, dass er nur zweitrangig betrachtet werden sollte. Zuerst sollte der reine Chartverlauf betrachtet und analysiert werden, bevor man einen Oszillator wie den RSI zur Hilfe nimmt.
Ein Oszillator ist allgemein ein „schwingfähiges System“. In dem Fall vom RSI heißt das, dass er sich im Bereich von 0 bis 100 bewegt. Ersichtlich wird dies aus der Berechnungsformel. Linie

Die Formel zur Berechnung

Beginnen wir gleich mit dem komplizierten Teil, um den Oszillator dann wirklich verstehen zu können. Die Kenntnis über die Berechnungsformel ist essenziell, damit der Verlauf des RSI auch nachvollziehbar ist und richtig interpretiert werden kann.
Um die relative Stärke einer Bewegung festzustellen addiert man zunächst alle Kursgewinne der Tage (erklärt hier am RSI im Tages-Chart) im Betrachtungszeitraum, an denen der Schlusskurs über dem Vortagesschlusskurs lag. Dann teilt man durch die Anzahl der verwendeten Werte (also die eingestellte Länge) und wiederholt dasselbe Schema mit den Tagen mit Kursverlusten. Somit erhält man für die positiven und negativen Tage einen durchschnittlichen Wert. Die Formel lautet dann:

RSI=100*(DurchschnittAufwärts/(DurchschnittAufwärts+DurchschnittAbwärts))

DurchschnittAufwärts soll sich hier auf den ersten gezeigten Durchschnitt (also der positiven Tage) beziehen und DurchschnittAbwärts auf den zweiten gezeigten Wert (der negativen Tage). Zum besseren Verständnis ein Beispiel:

Ist eine Aktie im Berechnungszeitraum des RSI jeden Tag gestiegen muss DurchschnittAbwärts zwangsläufig 0 betragen, da es keine negativen Tage gab. Übrig bleibt DurchschnittAufwärts geteilt durch sich selbst (ergibt 1) und das multipliziert mit 100. Steigt ein Wert also in jeder Periode des Berechnungszeitraums, so steht der RSI auf 100. Fällt ein Wert in jeder Periode des Berechnungszeitraums, beträgt der RSI-Wert 0 (dann wäre DurchschnittAufwärts=0 und somit die ganze Formel =0).

Daraus folgt, dass ein extrem niedriger RSI-Wert generell überverkaufte und ein sehr hoher RSI-Wert überkaufte Marktsituationen anzeigt. Häufig werden die Grenzen von 30 und 70 als Schwellen für Extremsituationen (überverkauft und überkauft) genannt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass man gleich eine Position gegen den aktuellen Trend eröffnen sollte. Gemäß der Dow-Theorie, welche das Basiswerk für die meisten Anwender der Technischen Analyse ist, gilt ein Trend solange bis er eindeutig umgekehrt wurde. Das „blinde Handeln“ gegen den Trend (nur weil der RSI über 70 oder unter 30 ist) wird in der Regel nicht von Erfolg begleitet. 

Die Länge des Indikators

Der RSI wurde ursprünglich mit der Länge 14 berechnet. Das bedeutet, dass die letzten 14 Schlusskurse in die Berechnung des aktuellen RSI-Wertes miteinbezogen werden. Desto kürzer man die Periode wählt, desto „empfindlicher“ (volatiler) ist auch der RSI. Ebenfalls sieht man die Periodenlänge 7 oft.

Allgemein wird der RSI mit den Schlusskursen des geöffneten Charts berechnet. Hat man den Daily-Chart aufgerufen, zählen dementsprechend die letzten 14 Tagesschlusskurse. Dadurch muss auch berücksichtigt werden, dass der aktuelle RSI nur vorläufig ist (wenn der Markt geöffnet hat). Bei der Berechnung wird der aktuelle Kurs verwendet, welcher sich aber bis zum Ende der Periode noch ändern kann. Aus diesem Grund ist auch der aktuelle RSI-Wert noch nicht endgültig. Baut man den Oszillator in sein Trading-System ein, so sollte man dies berücksichtigen.

Divergenzen im RSI

Die wesentlich zuverlässigere Methode bei der Verwendung des RSI (anstelle vom simplen Handeln im überkauften/-verkauften Bereich) ist das Handeln bei Divergenzen.
Wenn im Chart ein Abwärtstrend aktiv ist, fällt in der Regel auch der RSI. Gibt es im Kursverlauf nun ein tieferes Tief, aber im RSI ist das neue Tief auf derselben Höhe wie das vorherige (oder noch besser: es ist höher), dann spricht man von einer bullischen Divergenz. Der Oszillator gibt schließlich die relative Stärke an, was im Umkehrschluss bedeutet, dass der Abwärtstrend in diesem Fall zwar noch aktiv ist, aber an Stärke verliert.
Umgekehrt gilt dasselbe in einem Aufwärtstrend, wenn ein neues Hoch etabliert, aber im RSI zugleich nur ein Hoch auf derselben Höhe oder besser sogar tiefer ausgebildet wird. Dies nennt man eine bärische Divergenz.

In beiden Fällen sollte man sich auf eine bevorstehende Trendumkehr einrichten und nach weiteren Signalen Ausschau halten um davon gegebenenfalls zu profitieren. Bei einer Divergenz sofort ohne weitere Bestätigungen zu handeln ist ebenfalls riskant. Besser ist es, wenn zusätzlich noch (z.B.) das Volumen, naheliegende Unterstützungen und Widerstände oder Trendlinien die Tradeidee stützen.

Bärische Divergenz

Bild 1: Man sieht eine bärische Divergenz, bei der im Chart ein neues Hoch ausgebildet wurde, aber im RSI das zweite Hoch circa auf derselben Höhe bleibt (EURUSD, Daily, April 2019 bis Oktober 2019).


Die bärische Divergenz im EURUSD wurde durch eine Abwärtsbewegung aufgelöst. Am zweiten Hoch wäre die Divergenz erkennbar gewesen und ein Trade konnte vorbereitet werden, z.B. als Breakout aus der Seitwärtsbewegung mit Inside Candles.

Bullische Divergenz

Bild 2: Man sieht eine bullische Divergenz, da das neue Tief im Kursverlauf von einem höheren Tief im RSI begleitet wird (EURUSD, H4, September 2020 bis Oktober 2020).


In diesem Fall sieht man schon im Chart deutlich, dass das Momentum der Abwärtsbewegung abnimmt. Im RSI zeigt das steigende Tief schließlich eine wirklich starke bullische Divergenz an, welche auch hier z.B. per Breakout aus der kurzen Seitwärtsphase gehandelt werden konnte.

 

Aus naheliegenden Gründen ist die zweite Divergenz noch deutlich stärker als die im ersten Beispiel, da der Verlauf des RSI noch extremer von dem Kursverlauf abweicht. 
Dennoch darf nicht vergessen werden, dass solche Oszillatoren wie der RSI nur aus dem Kurs berechnet werden und somit dem Kurs „hinterherlaufen“. Meist ist es nicht ratsam sie als alleinstehendes Handelssignal zu verwenden, der reine Kursverlauf steht an erster Stelle.
Zudem sollte je nach Zeitpunkt des Einstiegs berücksichtigt werden, dass man gegen den vorherrschenden Trend handelt, welcher immer noch gültig sein kann.

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Autor und Quelle:

Jan Fuhrmann

Jan Fuhrmann beschäftigt sich in seiner Freizeit ausgiebig mit der Technischen Analyse der Finanzmärkte. Interessierten hilft er gerne mit seinen täglichen Aktivitäten auf Instagram weiter, wo er gemeinsam mit einem Freund die Accounts @die.aktionaere und @die.trader führt. Das Hauptziel ist dabei die Förderung der Aktionärskultur in Deutschland.

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