Pair Trading - Doppelt hält besser

Pairs Trading

Pair Trading (manchmal auch Spread Trading genannt) ist ein marktneutraler Ansatz, bei dem in der Regel zwei Wertpapiere gleichzeitig long beziehungsweise short gehandelt werden. Der Händler kann von den relativen Kursdifferenzen der Titel untereinander profitieren. Dieser Ansatz unterscheidet sich vom direktionalen Handel, da der Trader sich nicht direkt gegenüber der Entwicklung der Gesamtmarktrichtung festlegt. Wer einen Spread handelt, wettet auf relative statt auf absolute Performance. Pair Trading ist auf vielen Zeitebenen möglich – vom Minuten- bis zum Monatschart – und kann daher von beinah jedem Trader-Typ, ob haupt- oder nebenberuflich, angewandt werden. Außerdem ist es mit fast allen Instrumenten durchführbar, wobei es sich besonders für den Handel von Aktienpaaren und Exchange Traded Funds (ETFs) eignet.

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Wie funktioniert Pair Trading?

Pair Trader gehen eine Short-Position in einem Wertpapier ein und eröffnen gleichzeitig eine Long-Position in einem anderen Wertpapier. Die Trading-Idee ist, dass das gekaufte Wertpapier das zuvor leerverkaufte Papier outperformen wird. Im Prinzip könnte man einen Pair Trade als zwei Einzelpositionen betrachten: Eine Long- und eine Short-Position. Die Besonderheit liegt darin, dass der Händler direkt die Kursdifferenz zwischen den beiden Titeln handeln möchte. Ein Pair- oder Spread-Chart zeigt die Entwicklung des Wertpapierpaares und kann bei manchen Brokern direkt als Kombinationsorder im Kombinationschart gehandelt werden. So kann der Trader die Entwicklung des Paares visualisieren und günstige Ein- und Ausstiegspunkte leichter im Chart erfassen.

Angenommen, Sie kaufen einen Spread (gehen also long im ersten Titel und short im zweiten) und der Gesamtmarkt fällt. Unabhängig davon gewinnen Sie, wenn Ihre Long-Position (das sogenannte „Long Leg“) besser performt als Ihre Short-Position („Short Leg“). Auch wenn der Gesamtmarkt steigt, gewinnt Ihr Trade, solange Ihr Long Leg stärker steigt als Ihr Short Leg. Verluste erleiden Sie hingegen, wenn eines oder beide Ihrer „Legs“ sich in die andere Richtung als erwartet entwickeln. In einem Spread- Chart würde der kombinierte Kurs dann demzufolge fallen und Sie realisieren beim Erreichen Ihres zuvor definierten Stopp-Levels einen Verlust – die von Ihnen bei Trade-Eröffnung erwartete Korrelation der Titel zueinander ist nicht eingetreten.

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Strategie Snapshot

Die Strategie ist profitabel, wenn Sie durch Marktbeobachtungen, Analysen oder Statistiken erkennen, warum und wann ein Wertpapier mit hoher Wahrscheinlichkeit ertragreicher sein wird als ein anderes. Pair Trading können Sie grundsätzlich nach statistischen oder diskretionären (nicht-statistischen) Methoden handeln. Wir betrachten in diesem Artikel besonders den diskretionären Spread Trading-Ansatz. Ausgangspunkt jedes Pair Trades ist eine Idee, warum ein Wertpapier gegenüber einem anderen den Gesamtmarkt oder das jeweils andere Papier outperformen könnte. Je mehr Gründe Sie für Ihren Trade finden, desto besser. Sie können Technische Analyse, Fundamentaldaten, Orderflussanalyse, Sentiment, Branchenrotationen und relative Marktstärke sowie statistische Analysen in Ihre Trading-Ideen einfließen lassen.

Trading-Beispiel long DPZ vs. short EEM

Im August 2011 brachen wichtige Emerging Market (EEM)-ETFs signifikante Unterstützungen im Wochen- und Tageschart ein, nachdem die Probleme in Europa immer weiter zugenommen hatten. Zur gleichen Zeit zeigte das Unternehmen „Domino’s Pizza“ (DPZ) relative fundamentale und technische Marktstärke, die durch folgende Merkmale zu erkennen war:

  • In kurzfristigen Charts der Aktie waren wiederkehrende Ausbrüche mit neuen Hochs unter starkem Volumen zu sehen.
  • Der Preis befand sich über dem 50er und 200er Tagesdurchschnitt.
  • Das Unternehmen zeigte ausgezeichnete Wachstumsraten (zum Beispiel ein Wachstum des Gewinns pro Aktie von über 30 Prozent pro Quartal).
  • Hohe institutionelle Beteiligungen am Unternehmen.
  • Return of Investment über 30 Prozent pro Jahr.
  • Brutto-Gewinn-Marge über 25 Prozent.
  • Keine Verschuldung.

Aufgrund der technischen und fundamentalen Stärke der Aktie wollten wir uns in DPZ long positionieren. Der Gesamtmarkt war indes schwach und die Volatilität an den Aktienmärkten hoch. Der Gesamtmarkt befand sich unter den wichtigen 50er und 200er Tagesdurchschnitten. Darum wollten wir nicht nur die Aktie DPZ kaufen, sondern das Gesamtmarktrisiko absichern, indem wir die relativ schwachen Emerging Markets gleichzeitig leerverkaufen. Daraus ergab sich der Pair Trade long DPZ und short EEM.

Hat man ein solches Paar gefunden, ist es wichtig, den aus den Kursverläufen dieses Paares abgeleiteten Spread zu analysieren, um mögliche Ein- und Ausstiegspunkte im Chart zu definieren. Bei manchen Brokern ist eine solche grafische Darstellung in Form eines Chart möglich. Um ein korrektes Verhältnis der Legs zueinander zu erhalten muss für jedes Paar im Chart ein Multiplikationsfaktor errechnet werden. Im genannten Beispiel long DPZ gegen short EEM war der Multiplikator rund 1,8. Der Kurs der Aktie DPZ betrug rund 25 Dollar und der Kurs des EEM-ETFs etwa 45 Dollar. Über den Multiplikator wird sichergestellt, dass keine zusätzliche Variable wie beispielsweise eine ungleiche Gewichtung der Long- und Short-Position im Trade vorliegt. Wir kommen an späterer Stelle darauf zurück und fahren für dieses Beispiel zunächst mit einem angenommenen Multiplikator von 1,0 fort.

Bild 1: Long DPZ vs. short EEM

B1 Long DPZ vs. short EEM

Bild 1: Hier sehen Sie den Verlauf des Spreads zwischen der Aktie von Domino’s Pizza (DPZ) und dem Emerging Markets-ETF (EEM).

Den Tageschart des Spreads long DPZ gegen short EEM sehen Sie in Bild 1. Der Spread zeigte im August 2011 einen Ausbruch über die Minus-20-Dollar-Marke und lief im Dezember bis -1,50 Dollar nach oben. Ein Wert von -20 bedeutet in diesem Fall, dass die EEM-Aktie um 20 Dollar teurer ist als DPZ. Kombinationscharts notieren oft im negativen Bereich und dementsprechend verwirrend kann  die Skalierung sein – was zählt, ist die Preisentwicklung vom Einstiegspunkt bis zum Ausstiegspunkt. Sind die Kurse der Legs Ihrer Paare genau gleich, können Sie den Spread 1:1 handeln (Multiplikator = 1,0). Sind die Kurse der Legs dagegen nicht gleich, müssen Sie erst den Multiplikator ausrechnen, um auf ein korrektes Verhältnis zu kommen. Dazu dividieren Sie den Preis Ihres ersten Legs durch den Preis des zweiten Legs. Zur Veranschaulichung nehmen wir Folgendes an: Sie wollen darauf spekulieren, dass Google (Kurs: 640 Dollar) die NASDAQ outperformt. Als Short-Instrument für die NASDAQ verwenden Sie den ETF „PowerShares QQQ“ (Kurs: 58 Dollar). Der Multiplikator ergibt sich aus 640/58 und beträgt rund 11,03. Um nun das korrekte Verhältnis der Titel im Pair Trade darzustellen, müssen Sie für jede gekaufte Google-Aktie elf NASDAQ ETFs shorten. Den Kombinationschart sehen Sie in Bild 2.

Bild 2: Long GOOG vs. short QQQ

B2 Long GOOG vs. short QQQ

Bild 2 zeigt den Verlauf des Spreads zwischen der Aktie von Google (GOOG) und dem NASDAQ-ETF (QQQ).

Trade-Management

Für jeden Trade müssen Sie Ihren Stopp-Loss und Ihr Gewinnziel im Voraus definieren. Wer Paare über seinen Broker in einer Kombination darstellen kann, kann entweder mit der klassischen Markttechnik oder der Dow-Theorie diese Marken finden und Trends in Paaren handeln. Beim Einstieg werden Stopps unter das letzte Tief im Kombinationschart platziert. Läuft der Trade die Hälfte des ursprünglichen Risikos (Initialrisiko) in den Gewinn, wird die Hälfte der Position verkauft und der Stopp auf Einstand gezogen. Der Stopp der verbleibenden Position wird im Trend auf der gehandelten Zeitebene jeweils unter das letzte Tief nachgezogen (Trailing-Stopp), bis der Trade im Gewinn ausgestoppt wird. Bild 3 zeigt das Trade-Management anhand des Kombinationscharts aus Bild 1 (long DPZ gegen short EEM). Erreicht eines der Legs eine maximale Gewinn- oder Verlustschwelle, wird der Trade ebenfalls geschlossen. Es ist auch möglich, ein Leg separat long und das andere separat short zu handeln. Alle Legs sollten geschlossen werden, wenn ein Leg ausgestoppt wird, sonst handelt der Trader eine direktionale Bewegung und ist nicht mehr marktneutral aufgestellt ist. Als Spread Trader sollten Sie daher nicht nur ein Leg schließen und das andere behalten. Betrachten Sie die Long- und Short-Position immer als zusammenhängend, mit gleichzeitigem Eröffnen und Schließen. Eine davon abweichende Vorgehensweise erhöht Ihr Positionsrisiko.

Bild 3: Trade-Management long DPZ vs. short EEM

B3 Trade-Management long DPZ vs. short EEM

Bild 3 zeigt, wie der Pair Trade im Zeitablauf gemanagt wurde

Pair Trades ohne Kombinationsorder

Einen Pair Trade können Sie auch ohne eine Kombinationsorder im Kombinationschart handeln. Angenommen Sie sind der Meinung, dass der Finanzsektor den Energiesektor heute outperformen wird, so wählen Sie für Ihren Pair Trade zwei Sektor-ETFs:

  1. Long XLF (ein ETF, der die Finanzbranche abbildet)
  2. Short XLE (ein ETF, der die Energiebranche abbildet).

Wir rechnen mit einem aktuellen Kurs des XLF von 13 Dollar und einem Kurs des XLE von 70 Dollar. Es gibt jetzt mehrere Möglichkeiten, Ihr Risiko zu definieren. Die erste Möglichkeit besteht darin, eine maximale Summe in die Trading-Idee zu investieren, beispielsweise 10 000 Dollar (2 x 5000). Also berechnen Sie nun Ihre Positionen so:

  • 5000$ / 13 = 385. Sie kaufen 385 XLF.
  • 5000$ / 70 = 71. Sie shorten 71 XLE.

Risiko-Management

Im Augenblick kennen Sie noch nicht den zu erwartenden potenziellen Verlust der Trades. In der Finanzmathematik gibt es hierfür die Kennzahl des Loss Given Default (LGD): Dieser beschreibt die maximale Summe, die Sie verlieren können. In diesem Beispiel wären das 10 000 Dollar. Allerdings ist dieser Verlust ist sehr unwahrscheinlich, da er keinen Erwartungswert berücksichtigt. Um mit diesem Trade Ihren gesamten Einsatz zu verlieren, müsste der Finanz-ETF einen Totalverlust erleiden und sich der Energie-ETF verdoppeln. Es ist daher sinnvoll, für die Varianz einen Schätzer zu
verwenden. Diesen mithilfe der Statistik zu berechnen wäre für die meisten Trader ein enormer Aufwand. Die Average True Range (ATR) bietet sich als Alternative an, sie kann zum Beispiel über eine Zeitspanne von sieben Tagen berechnet werden.

Für unser Beispiel gehen wir von einer ATR des XLF von 0,38 und einer ATR des XLE von 1,87 aus. Damit können wir den Verlust abschätzen, sollten sich beide Wertpapiere mit der durchschnittlichen Schwankungsbreite gegen unsere Erwartungen entwickeln:

  • • ATR XLF (0,38) x Stückzahl (385) = 146,3. Sollte sich der Finanz-ETF mit seiner ATR gegen uns entwickeln, verlieren wir rund 146,3 Dollar.
  •  
  • • ATR XLE (1,87) x Stückzahl (71) = 133. Sollte sich der Energie-ETF sich mit seiner ATR gegen uns entwickeln, verlieren wir rund 133 Dollar.

Beim Handeln von Paaren sollte man stets im Hinterkopf behalten, dass eine der zwei Positionen oft Verluste bringt. Der Gewinn der einen Position sollte dabei höher sein als der Verlust der anderen. Nur dann ist die Strategie marktneutral und wir können gewinnen, egal ob der Gesamtmarkt fällt oder steigt – in unserem Beispiel solange, wie sich die Finanzbranche relativ gesehen stärker hält als die Energiebranche.

Zurück zum Beispiel

Zum abschließenden Verständnis kehren wir zu unserem Beispiel zurück. Wir sind den Pair Trade long XLF, short XLE zu den Kursen 13 und 71 Dollar eingegangen. Wenige Tage später steht der XLF bei 15 und der XLE bei 74 Dollar. Wir gewinnen zwei Dollar pro ETF im XLF, der Gewinn beträgt also 2 Dollar x 385 Stück = 770 Dollar. Gleichzeitig verlieren wir drei Dollar pro ETF im XLE: Der Verlust beträgt 3 Dollar x 71 Stück = 213 Dollar. Der Gesamtge winn des Trades beträgt (770 - 213) = 557 Dollar.

Fazit

Wie in den Beispielen deutlich wurde, eignet sich Pair Trading besonders für Händler, die nicht nur isoliert auf eine Richtung eines Instruments spekulieren möchten. Der Ansatz ergänzt den eigenen „Trading-Werkzeugkasten“ sinnvoll. Pair Trading benötigt etwas Einarbeitungszeit, um ein Verständnis für die Bewegungen von Spreads zu entwickeln und relative Marktstärke und -schwäche frühzeitig zu erkennen. Wenn Sie mit statistischen Methoden arbeiten, beachten Sie, dass Pair Trades länger in statistisch eher unwahrscheinlichem Terrain notieren können als erwartet. Insgesamt ist Pair Trading ein – im Vergleich zu Spekulationen auf direktionale Kursbewegungen – „entspannter“ Trading-Stil. Einmal erlernt, ist er als Ergänzung zum direktionalen Handel kaum noch aus dem Trader-Alltag wegzudenken.

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Autor

Valentin Rossiwall

Valentin Rossiwall ist Buchautor, Tradingcoach und Partner des deutschen Livetrading-Rooms NextLevelTrader.

Quelle: TRADERS' Mag.

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